Warum Leuchttürme im Norden Initialzündungen und Anheizerinnen brauchen, die das Licht auch in die finsteren Ecken bringen.
Mit vielen aktiven Feministinnen aus der politischen Frauenbewegung hatten wir schon 15 Jahre zuvor ein Frauenzentrum mit gegründet, gegen den § 218 gekämpft, das Kieler Frauenhaus initiiert und die Beratung im Frauennotruf aufgebaut, als 1987 „Kiel wachgerüttelt“ wurde, wie es die KN damals beschrieb. Drei junge Frauen – Alexandra Schlie, Dorothee Friedrichs und Nicole Struck – waren von drei unterschiedlichen Tätern im öffentlichen Raum kurz nacheinander missbraucht, vergewaltigt und ermordet worden. Das löste großes Entsetzen, aber auch viele Ängste aus. Aber es hatte auch Konsequenzen: Der Frauennotruf Kiel machte eine viel beachtete, stadtweit verteilte Hauswurfsendung und wir gingen gemeinsam mit hunderten Frauen und einigen Männern mehrfach auf die Kieler Straßen und forderten für alle Mädchen und Frauen mehr Sicherheit im öffentlichen Raum und „die Nacht zurück“.
Nachdem zuvor bereits drei Prostituierte ermordet worden waren und dies in der Öffentlichkeit weitgehend unbeachtet geblieben war, wurde es jetzt Zeit zu handeln. Der Frauennotruf konnte damals mit breiter frauensolidarischer Unterstützung und mit Hilfe der Gleichstellungsbeauftragten der Stadt Kiel das Frauennachttaxi durchsetzen. Wir hatten für eine kurze Phase die nötige mediale Aufmerksamkeit und damit die breite Unterstützung der Kieler Ratsversammlung und der Verwaltung. So begann mit fünf vollen Stellen endlich die professionelle Beratungs-, Gerichtsbegleitungs- und Therapiearbeit für Betroffene von sexuellem Missbrauch in der Kindheit, sexueller und häuslicher Gewalt.
Heute sind es im Kieler Frauennotruf etwa drei Stellen, die für die Arbeit in Kiel finanziert werden und das bei stetig steigenden Anfragen. Der Kieler Notruf berät pro Jahr über 1000 Gewaltopfer und leistet weit mehr als 3000 Beratungen. Mittlerweile ist – oft getragen durch mutige Menschen, die das Schweigen brechen, aber auch durch Forschung, Fortbildung, den ein oder anderen TV-„Tatort“ und die Arbeit der Aufarbeitungskommission der Bundesregierung – bekannt, dass es diese „unglaublichen“ Fälle von Gewalt gegen Kinder, Jugendliche und Erwachsene bis hin zu organisierter Kinderprostitution und Frauenmorden auch in Kiel gibt, also in unserer unmittelbaren Nachbarschaft. Das ist schwer auszuhalten oder konkreter: Das ist für mich nur auszuhalten, wenn ich unserem ersten Notrufmotto „WUT MACHT MUT“ folgend immer wieder Wege suche, für „mein“ Thema gemeinsam mit Vielen so viel Druck zu machen, dass „die Welt“ in Kiel und anderswo Stück für Stück ein wenig besser wird.
In meiner vorfeministischen Kinder- und Jugendzeit prägte mich ein Aphorismus von Erich Kästner in meinem Poesiealbum: „Es gibt nichts Gutes / außer: Man tut es.“ Mittlerweile spreche ich gendergerechter immer auch von Frauen und zitiere außerdem lieber Frauen: „Wenn es einen Glauben gibt, der Berge versetzen kann, so ist es der Glaube an die eigene Kraft“ (Marie von Ebner-Eschenbach).
Eine Erkenntnis meines Lebens ließe sich so umreißen: Erst wurden wir politischen Fachfrauen ignoriert, dann ausgelacht, schließlich bekämpft und jetzt haben wir vieles geschafft. Was wir gemeinsam mit vielen anderen Frauen geschafft haben, wird sichtbar in neuen Gesetzen, verbesserten Angeboten und in der Öffentlichkeit des Themas Gewalt gegen Frauen und Kinder. Ein sehr nachhaltig und deutlich sichtbares Zeichen haben wir gemeinsam mit dem Kieler Frauenbündnis und vielen Gruppen im Kieler Werftpark gesetzt. Die „Wege aus der Gewaltspirale“, ein DenkMal! aus einem riesengroßen Findling aus der Eiszeit Schwedens, der nur zu 10% aus der Erde ragt, umgeben von einem begehbaren Labyrinth. Der „NEIN IN STEIN“ ist ein Gedenkort für alle Opfer von Gewalt und wurde vom Frauennotruf initiiert. Hier gedenken wir der Mädchen und Frauen, die ermordet wurden oder den Kampf ums eigene Überleben nicht gewinnen konnten. Aber gleichzeitig ist das wunderschön an einer Wegkreuzung zwischen riesigen Bäumen gelegene begehbare Rasenlabyrinth ein Ort der Stärkung und Solidarität für alle Frauen.
Hilfe holen ist jetzt in vielen Kieler Kitas, Schulen, Kirchen und Behindertenhilfeeinrichtungen kein „petzen“ mehr. Geschulte Erwachsene hören zu, verstehen und im Idealfall gibt es Hilfe für die Opfer und Sanktionen für die Täter. Dank zahlreicher Stiftungen, Spenden und endlich fördernder Ministerien sind (nicht nur) in Schleswig-Holstein mittlerweile sechs Wanderausstellungen zur Prävention von sexuellem Missbrauch und Gewalt unterwegs. Sie vermitteln Mädchen und Jungen wichtige Informationen, stärken ihr Selbstwertgefühl und ihre Handlungskompetenz.
Aktuell bereiten wir in der Kieler Partnerinnenregion Moshi Rural in Tansania ein Netzwerk für den Transfer der PETZE-Grundschulausstellung „Echt Klasse!“ vor. Ausgehend von der Schweiz, in der diese Ausstellung alle Kinder mindestens einmal in ihrer Grundschulzeit erreicht, tourt sie auch schon lange in Mosambik. Darauf sind wir stolz, sehen aber gleichzeitig, dass vieles alles noch nicht gut ist. Um nicht zu resignieren, wenn es mal wieder arg viele Rollbacks und Reaktionäre gibt, helfen ein solidarisches Umfeld, eine tolle Familie, Yoga und die tägliche Freude an den manchmal kleinen Schritten, denn: „Wer meint kleine Dinge könnten nichts bewirken, der (besser wäre natürlich hier „die“) hat noch nie mit einem Moskito im Zimmer die Nacht verbracht“ Dalai Lama.
Mehr Informationen:
www.petze-kiel.de
www.frauennotruf-kiel.de
www.frauen-gegen-gewalt.de
www.strickt-gegen-gewalt.de

Über die Autorin Ursula Schele – Die Pädagogin, Kinder- und Frauenrechtlerin ist in der Sozialpolitik als Verbandsratsvorsitzende des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes Schleswig-Holstein aktiv und steht seit über 30 Jahren auf, für eine gerechtere Gender-, Migrations- und Sozialpolitik. Als Mitbegründerin des Frauennotrufs Kiel e.V., übernahm sie 1990 die Geschäftsführerung des Präventionsbüros PETZE und 2009 die Leitung des PETZE-Instituts in Kiel (2009). Seit 2009 agiert sie als Vorsitzende des Bundesverband Frauenberatungsstellen und Frauennotrufe – Frauen gegen Gewalt (bff) e.V. in Berlin.
Warum Leuchttürme im Norden Initialzündungen und Anheizerinnen brauchen, die das Licht auch in die finsteren Ecken bringen.
Mit vielen aktiven Feministinnen aus der politischen Frauenbewegung hatten wir schon 15 Jahre zuvor ein Frauenzentrum mit gegründet, gegen den § 218 gekämpft, das Kieler Frauenhaus initiiert und die Beratung im Frauennotruf aufgebaut, als 1987 „Kiel wachgerüttelt“ wurde, wie es die KN damals beschrieb. Drei junge Frauen – Alexandra Schlie, Dorothee Friedrichs und Nicole Struck – waren von drei unterschiedlichen Tätern im öffentlichen Raum kurz nacheinander missbraucht, vergewaltigt und ermordet worden. Das löste großes Entsetzen, aber auch viele Ängste aus. Aber es hatte auch Konsequenzen: Der Frauennotruf Kiel machte eine viel beachtete, stadtweit verteilte Hauswurfsendung und wir gingen gemeinsam mit hunderten Frauen und einigen Männern mehrfach auf die Kieler Straßen und forderten für alle Mädchen und Frauen mehr Sicherheit im öffentlichen Raum und „die Nacht zurück“.
Nachdem zuvor bereits drei Prostituierte ermordet worden waren und dies in der Öffentlichkeit weitgehend unbeachtet geblieben war, wurde es jetzt Zeit zu handeln. Der Frauennotruf konnte damals mit breiter frauensolidarischer Unterstützung und mit Hilfe der Gleichstellungsbeauftragten der Stadt Kiel das Frauennachttaxi durchsetzen. Wir hatten für eine kurze Phase die nötige mediale Aufmerksamkeit und damit die breite Unterstützung der Kieler Ratsversammlung und der Verwaltung. So begann mit fünf vollen Stellen endlich die professionelle Beratungs-, Gerichtsbegleitungs- und Therapiearbeit für Betroffene von sexuellem Missbrauch in der Kindheit, sexueller und häuslicher Gewalt.
Heute sind es im Kieler Frauennotruf etwa drei Stellen, die für die Arbeit in Kiel finanziert werden und das bei stetig steigenden Anfragen. Der Kieler Notruf berät pro Jahr über 1000 Gewaltopfer und leistet weit mehr als 3000 Beratungen. Mittlerweile ist – oft getragen durch mutige Menschen, die das Schweigen brechen, aber auch durch Forschung, Fortbildung, den ein oder anderen TV-„Tatort“ und die Arbeit der Aufarbeitungskommission der Bundesregierung – bekannt, dass es diese „unglaublichen“ Fälle von Gewalt gegen Kinder, Jugendliche und Erwachsene bis hin zu organisierter Kinderprostitution und Frauenmorden auch in Kiel gibt, also in unserer unmittelbaren Nachbarschaft. Das ist schwer auszuhalten oder konkreter: Das ist für mich nur auszuhalten, wenn ich unserem ersten Notrufmotto „WUT MACHT MUT“ folgend immer wieder Wege suche, für „mein“ Thema gemeinsam mit Vielen so viel Druck zu machen, dass „die Welt“ in Kiel und anderswo Stück für Stück ein wenig besser wird.
In meiner vorfeministischen Kinder- und Jugendzeit prägte mich ein Aphorismus von Erich Kästner in meinem Poesiealbum: „Es gibt nichts Gutes / außer: Man tut es.“ Mittlerweile spreche ich gendergerechter immer auch von Frauen und zitiere außerdem lieber Frauen: „Wenn es einen Glauben gibt, der Berge versetzen kann, so ist es der Glaube an die eigene Kraft“ (Marie von Ebner-Eschenbach).
Eine Erkenntnis meines Lebens ließe sich so umreißen: Erst wurden wir politischen Fachfrauen ignoriert, dann ausgelacht, schließlich bekämpft und jetzt haben wir vieles geschafft. Was wir gemeinsam mit vielen anderen Frauen geschafft haben, wird sichtbar in neuen Gesetzen, verbesserten Angeboten und in der Öffentlichkeit des Themas Gewalt gegen Frauen und Kinder. Ein sehr nachhaltig und deutlich sichtbares Zeichen haben wir gemeinsam mit dem Kieler Frauenbündnis und vielen Gruppen im Kieler Werftpark gesetzt. Die „Wege aus der Gewaltspirale“, ein DenkMal! aus einem riesengroßen Findling aus der Eiszeit Schwedens, der nur zu 10% aus der Erde ragt, umgeben von einem begehbaren Labyrinth. Der „NEIN IN STEIN“ ist ein Gedenkort für alle Opfer von Gewalt und wurde vom Frauennotruf initiiert. Hier gedenken wir der Mädchen und Frauen, die ermordet wurden oder den Kampf ums eigene Überleben nicht gewinnen konnten. Aber gleichzeitig ist das wunderschön an einer Wegkreuzung zwischen riesigen Bäumen gelegene begehbare Rasenlabyrinth ein Ort der Stärkung und Solidarität für alle Frauen.
Hilfe holen ist jetzt in vielen Kieler Kitas, Schulen, Kirchen und Behindertenhilfeeinrichtungen kein „petzen“ mehr. Geschulte Erwachsene hören zu, verstehen und im Idealfall gibt es Hilfe für die Opfer und Sanktionen für die Täter. Dank zahlreicher Stiftungen, Spenden und endlich fördernder Ministerien sind (nicht nur) in Schleswig-Holstein mittlerweile sechs Wanderausstellungen zur Prävention von sexuellem Missbrauch und Gewalt unterwegs. Sie vermitteln Mädchen und Jungen wichtige Informationen, stärken ihr Selbstwertgefühl und ihre Handlungskompetenz.
Aktuell bereiten wir in der Kieler Partnerinnenregion Moshi Rural in Tansania ein Netzwerk für den Transfer der PETZE-Grundschulausstellung „Echt Klasse!“ vor. Ausgehend von der Schweiz, in der diese Ausstellung alle Kinder mindestens einmal in ihrer Grundschulzeit erreicht, tourt sie auch schon lange in Mosambik. Darauf sind wir stolz, sehen aber gleichzeitig, dass vieles alles noch nicht gut ist. Um nicht zu resignieren, wenn es mal wieder arg viele Rollbacks und Reaktionäre gibt, helfen ein solidarisches Umfeld, eine tolle Familie, Yoga und die tägliche Freude an den manchmal kleinen Schritten, denn: „Wer meint kleine Dinge könnten nichts bewirken, der (besser wäre natürlich hier „die“) hat noch nie mit einem Moskito im Zimmer die Nacht verbracht“ Dalai Lama.
Mehr Informationen:
www.petze-kiel.de
www.frauennotruf-kiel.de
www.frauen-gegen-gewalt.de
www.strickt-gegen-gewalt.de
Über die Autorin Ursula Schele – Die Pädagogin, Kinder- und Frauenrechtlerin ist in der Sozialpolitik als Verbandsratsvorsitzende des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes Schleswig-Holstein aktiv und steht seit über 30 Jahren auf, für eine gerechtere Gender-, Migrations- und Sozialpolitik. Als Mitbegründerin des Frauennotrufs Kiel e.V., übernahm sie 1990 die Geschäftsführerung des Präventionsbüros PETZE und 2009 die Leitung des PETZE-Instituts in Kiel (2009). Seit 2009 agiert sie als Vorsitzende des Bundesverband Frauenberatungsstellen und Frauennotrufe – Frauen gegen Gewalt (bff) e.V. in Berlin.