Wir leben in Zeiten, in denen nichts mehr als sicher erscheint. Die bisherige Weltordnung verändert sich rasend schnell. Selbst der Fortbestand der westlichen Demokratien ist gefährdet. So haben Populisten in einigen Ländern schon die Macht ergriffen oder sind zumindest an der Regierung beteiligt. Sie haben begonnen, die Gesellschaften nach ihren Vorstellungen umzubauen. Hauptziel ihrer Angriffe sind die Institutionen, wie zum Beispiel die Justiz, aber auch die Medien. Die Justiz sei voreingenommen und diene nicht dem Volke, heißt es dann beispielsweise. In der Türkei gehört eine unabhängige Justiz bereits der Vergangenheit an, in unserem Nachbarland Polen ist es auch schon fast so weit. Die Medien werden als Lügenpresse beschimpft. So spricht der amerikanische Präsident Donald Trump immer dann von Fake News, wenn die Medien ihn korrigieren, beim Lügen ertappen oder ihm unliebsame Berichte veröffentlichen. Hinzu kommt, dass wir heute in postfaktischen Zeiten leben. Egal ob man den Begriff postfaktisch nun mag oder nicht, es wird zunehmend schwieriger, Fakten zu kommunizieren, weil in der heutigen Welt fast alles über das Internet und über die Sozialen Medien in Frage gestellt werden kann, und das mit beachtlichem Erfolg. Die menschliche Klimabeeinflussung ist ein Beispiel dafür. Donald Trump bezeichnet den Klimawandel als Erfindung der Chinesen, um den Amerikanern zu schaden. Er findet dafür viel Zustimmung, zumindest in den USA, hinter China immerhin der zweitgrößte Verursacher des Treibhausgases Kohlendioxid (CO2).
Bei uns in Deutschland legen die Populisten von rechts in der Wählergunst deutlich zu und verbreiten ihre braune Ideologie. Und natürlich leugnen sie auch den Klimawandel. Der sei ja gar nicht erwiesen. Und aus dem Pariser Klimaabkommen sollte man schnellstens aussteigen. Die Populisten bieten scheinbar einfache Lösungen für die komplexen Probleme der heutigen Zeit und das macht sie für viele Menschen attraktiv. Und na klar, es sind die Ausländer. Sie seien die Hauptschuldigen für die meisten der Probleme. Das ist eine der dumpfen Botschaften, die die Populisten derzeit bei uns in Deutschland verbreiten. Und was tun die anderen Parteien? Sie beginnen, sich anzupassen anstatt die Auseinandersetzung mit den Populisten zu suchen. Warum benennen sie nicht die wahren Ursachen dafür, dass es vielen Menschen in diesem Land immer schlechter geht? Warum greift man nicht die berechtigten Zukunftsängste auf, die viele Menschen plagen? Werde ich bald noch Arbeit haben? Werde ich noch meine Miete zahlen können? Werde ich eine auskömmliche Rente haben? Warum geht man die Probleme nicht endlich an, anstatt sie auszusitzen? Warum ignoriert man schlichtweg einen beträchtlichen Teil der Bevölkerung?
Ich möchte zwei Bereiche ansprechen, die die Politik anpacken sollte, um der Staatsverdrossenheit entgegenzuwirken. Erstens, das Wirtschaftssystem. Eine unkontrollierte Globalisierung, so wie sie im Moment verläuft, führt zu mehr Ungerechtigkeit auf der Welt. In Deutschland nimmt die Ungerechtigkeit ebenfalls zu. Soziale Standards gelten immer weniger. Leiharbeit, befristete Arbeitsverhältnisse und Niedriglöhne sind menschenverachtend. Immer weniger Menschen profitieren von der boomenden Wirtschaft. Für die, die nicht am wirtschaftlichen Erfolg teilhaben, muss es wie Hohn klingen, wenn es heißt, dass es Deutschland noch nie so gut gegangen sei. Wenn Manager Unternehmen gegen die Wand fahren und trotzdem hohe Abfindungen kassieren, wie nach der letzten Bankenkrise geschehen, dann stimmt etwas nicht mit unserem Wirtschaftssystem. Auch nicht, wenn multinationale Konzerne wie Google oder Starbucks keine oder kaum Steuern zahlen. Oder wenn Betrügereien keine Konsequenzen nach sich ziehen, wie beim Dieselskandal. Insbesondere, wenn eine Supermarkt-Kassiererin wegen Nichtigkeiten fristlos entlassen wird. Was für ein Wirtschaftssystem ist es, das es schwerreichen Personen ermöglicht, ihr Vermögen in Steueroasen zu parken, um sich der Finanzierung des Gemeinwesens zu entziehen, von dem sie selbst aber jede Menge profitieren? All dies führt zu einem enormen Vertrauensverlust bei vielen Menschen, sie trauen den Eliten kaum noch über den Weg. Und damit auch nicht den Institutionen. Es ist auch diese Art von Verdrossenheit, die eine erhebliche Gefahr für die Demokratie darstellt.
Zweitens, die Automatisierung und Digitalisierung. Die technologische Entwicklung schreitet immer schneller voran. Dadurch gehen viele Arbeitsplätze verloren. Neue Arbeitsplätze entstehen, aber nicht notwendigerweise dort, wo sie verlorengehen. Das schürt Zukunftsängste. Wir haben keine Antwort darauf, wie die Arbeitswelt von morgen aussehen soll. Eines ist aber klar: Ein zu langes Festhalten an veralteten Geschäftsmodellen gefährdet den Wirtschaftsstandort Deutschland. Und damit seinen Wohlstand. Nicht ein „weiter so wie bisher“, sondern Innovation ist gefragt! Hin und wieder kann man sich aber des Eindrucks nicht erwehren, dass es große Unternehmen förmlich darauf anlegen, offensichtliche Risiken einfach zu ignorieren. Too big to fail. „Wir sind zu groß, um pleitezugehen. Der Staat wird uns schon retten“. Die Bankenkrise lässt grüßen. Der Staat, das sind die Steuerzahler. Und die sind zu Recht wütend, dass sie mit ihrem Geld Banken retten mussten. Der Dieselskandal ist ein weiteres Beispiel für die Unverfrorenheit einiger Großunternehmen. Wenn man keinen anderen Ausweg mehr weiß als den Betrug am Kunden, dann ist ein Geschäftsmodell am Ende. Das autonome Fahren und integrierte Verkehrskonzepte sind die Zukunft. Der herkömmliche Individualverkehr auf der Basis des Verbrennungsmotors wird sehr schnell der Vergangenheit angehören. Um wettbewerbsfähig zu bleiben, muss Deutschland außerdem massiv in seine Infrastruktur investieren. Die Nutzung der Erneuerbaren Energien kommt kaum voran. Obwohl man weiß, dass der Energiebedarf rasant steigen wird, nicht zuletzt auch wegen der Elektromobilität. Man hält jedoch krampfhaft an der Kohle fest, anstatt den Umbau der Energiesysteme couragiert anzugehen. So macht man Deutschland nicht fit für die Zukunft. Auch nicht ohne ein flächendeckendes schnelles Internet. Dies ist in vielen Gegenden Deutschlands immer noch nicht verfügbar und auch nicht in Sicht, in Zeiten der Digitalisierung ein enormer Wettbewerbsnachteil für viele Firmen. Und was macht die Politik? Schon vor Jahren wollte man Internet-Weltmeister werden, passiert ist seither wenig. Die Menschen haben ein feines Gespür dafür, ob wirklich gehandelt wird oder es nur bei Ankündigungen bleibt.
So verwundert es nicht, dass sich viele Menschen vom Staat abwenden und sich den Populisten zuwenden, die versprechen, im Handumdrehen eine bessere Welt erschaffen zu können. Wenn wir uns fragen, wie es in den USA dazu kommen konnte, dass Donald Trump Präsident wird, dann sollten wir uns die Frage stellen, wie verzweifelt die Menschen sein müssen, wenn sie ihm seine Stimme geben. Wenn wir in andere Länder blicken, begreifen wir, was die Populisten wirklich im Schilde führen. Sobald sie die Macht ergreifen, versuchen sie die Freiheit einzuschränken und die Demokratie abzuschaffen. Noch bilden die Populisten eine Minderheit im deutschen Parteienspektrum. Klein ist diese Gruppe aber wahrlich nicht mehr, und sie wächst. Und sie ist lautstark. Die Populisten setzen inzwischen die Themen auf der politischen Agenda. Die anderen Parteien stehen dem hilflos gegenüber und blicken wie das Kaninchen auf die Schlange. Jetzt ist die Zeit gekommen, dass die schweigende Mehrheit aufhört, zu schweigen und ihre Stimme erhebt. Der amerikanische Bürgerrechtler Martin Luther King Jr. hat einmal gesagt: „Es gibt so etwas, wie zu spät zu kommen“. Worauf warten wir also noch?
Über den Autor: Prof. Dr. Mojib Latif ist Leiter der Forschungseinheit Maritime Meteorologie am GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel. Der Meteorologe und Klimaforscher ist ehrenamtlicher Botschafter der Stiftung Klimawald, Vorsitzender des Deutschen Klima-Konsortium und seit Oktober 2017 Präsident der Deutschen Gesellschaft Club of Rome. Er hat u.a. mehrere Bücher zum Thema Klimawandel veröffentlicht.
Wir leben in Zeiten, in denen nichts mehr als sicher erscheint. Die bisherige Weltordnung verändert sich rasend schnell. Selbst der Fortbestand der westlichen Demokratien ist gefährdet. So haben Populisten in einigen Ländern schon die Macht ergriffen oder sind zumindest an der Regierung beteiligt. Sie haben begonnen, die Gesellschaften nach ihren Vorstellungen umzubauen. Hauptziel ihrer Angriffe sind die Institutionen, wie zum Beispiel die Justiz, aber auch die Medien. Die Justiz sei voreingenommen und diene nicht dem Volke, heißt es dann beispielsweise. In der Türkei gehört eine unabhängige Justiz bereits der Vergangenheit an, in unserem Nachbarland Polen ist es auch schon fast so weit. Die Medien werden als Lügenpresse beschimpft. So spricht der amerikanische Präsident Donald Trump immer dann von Fake News, wenn die Medien ihn korrigieren, beim Lügen ertappen oder ihm unliebsame Berichte veröffentlichen. Hinzu kommt, dass wir heute in postfaktischen Zeiten leben. Egal ob man den Begriff postfaktisch nun mag oder nicht, es wird zunehmend schwieriger, Fakten zu kommunizieren, weil in der heutigen Welt fast alles über das Internet und über die Sozialen Medien in Frage gestellt werden kann, und das mit beachtlichem Erfolg. Die menschliche Klimabeeinflussung ist ein Beispiel dafür. Donald Trump bezeichnet den Klimawandel als Erfindung der Chinesen, um den Amerikanern zu schaden. Er findet dafür viel Zustimmung, zumindest in den USA, hinter China immerhin der zweitgrößte Verursacher des Treibhausgases Kohlendioxid (CO2).
Bei uns in Deutschland legen die Populisten von rechts in der Wählergunst deutlich zu und verbreiten ihre braune Ideologie. Und natürlich leugnen sie auch den Klimawandel. Der sei ja gar nicht erwiesen. Und aus dem Pariser Klimaabkommen sollte man schnellstens aussteigen. Die Populisten bieten scheinbar einfache Lösungen für die komplexen Probleme der heutigen Zeit und das macht sie für viele Menschen attraktiv. Und na klar, es sind die Ausländer. Sie seien die Hauptschuldigen für die meisten der Probleme. Das ist eine der dumpfen Botschaften, die die Populisten derzeit bei uns in Deutschland verbreiten. Und was tun die anderen Parteien? Sie beginnen, sich anzupassen anstatt die Auseinandersetzung mit den Populisten zu suchen. Warum benennen sie nicht die wahren Ursachen dafür, dass es vielen Menschen in diesem Land immer schlechter geht? Warum greift man nicht die berechtigten Zukunftsängste auf, die viele Menschen plagen? Werde ich bald noch Arbeit haben? Werde ich noch meine Miete zahlen können? Werde ich eine auskömmliche Rente haben? Warum geht man die Probleme nicht endlich an, anstatt sie auszusitzen? Warum ignoriert man schlichtweg einen beträchtlichen Teil der Bevölkerung?
Ich möchte zwei Bereiche ansprechen, die die Politik anpacken sollte, um der Staatsverdrossenheit entgegenzuwirken. Erstens, das Wirtschaftssystem. Eine unkontrollierte Globalisierung, so wie sie im Moment verläuft, führt zu mehr Ungerechtigkeit auf der Welt. In Deutschland nimmt die Ungerechtigkeit ebenfalls zu. Soziale Standards gelten immer weniger. Leiharbeit, befristete Arbeitsverhältnisse und Niedriglöhne sind menschenverachtend. Immer weniger Menschen profitieren von der boomenden Wirtschaft. Für die, die nicht am wirtschaftlichen Erfolg teilhaben, muss es wie Hohn klingen, wenn es heißt, dass es Deutschland noch nie so gut gegangen sei. Wenn Manager Unternehmen gegen die Wand fahren und trotzdem hohe Abfindungen kassieren, wie nach der letzten Bankenkrise geschehen, dann stimmt etwas nicht mit unserem Wirtschaftssystem. Auch nicht, wenn multinationale Konzerne wie Google oder Starbucks keine oder kaum Steuern zahlen. Oder wenn Betrügereien keine Konsequenzen nach sich ziehen, wie beim Dieselskandal. Insbesondere, wenn eine Supermarkt-Kassiererin wegen Nichtigkeiten fristlos entlassen wird. Was für ein Wirtschaftssystem ist es, das es schwerreichen Personen ermöglicht, ihr Vermögen in Steueroasen zu parken, um sich der Finanzierung des Gemeinwesens zu entziehen, von dem sie selbst aber jede Menge profitieren? All dies führt zu einem enormen Vertrauensverlust bei vielen Menschen, sie trauen den Eliten kaum noch über den Weg. Und damit auch nicht den Institutionen. Es ist auch diese Art von Verdrossenheit, die eine erhebliche Gefahr für die Demokratie darstellt.
Zweitens, die Automatisierung und Digitalisierung. Die technologische Entwicklung schreitet immer schneller voran. Dadurch gehen viele Arbeitsplätze verloren. Neue Arbeitsplätze entstehen, aber nicht notwendigerweise dort, wo sie verlorengehen. Das schürt Zukunftsängste. Wir haben keine Antwort darauf, wie die Arbeitswelt von morgen aussehen soll. Eines ist aber klar: Ein zu langes Festhalten an veralteten Geschäftsmodellen gefährdet den Wirtschaftsstandort Deutschland. Und damit seinen Wohlstand. Nicht ein „weiter so wie bisher“, sondern Innovation ist gefragt! Hin und wieder kann man sich aber des Eindrucks nicht erwehren, dass es große Unternehmen förmlich darauf anlegen, offensichtliche Risiken einfach zu ignorieren. Too big to fail. „Wir sind zu groß, um pleitezugehen. Der Staat wird uns schon retten“. Die Bankenkrise lässt grüßen. Der Staat, das sind die Steuerzahler. Und die sind zu Recht wütend, dass sie mit ihrem Geld Banken retten mussten. Der Dieselskandal ist ein weiteres Beispiel für die Unverfrorenheit einiger Großunternehmen. Wenn man keinen anderen Ausweg mehr weiß als den Betrug am Kunden, dann ist ein Geschäftsmodell am Ende. Das autonome Fahren und integrierte Verkehrskonzepte sind die Zukunft. Der herkömmliche Individualverkehr auf der Basis des Verbrennungsmotors wird sehr schnell der Vergangenheit angehören. Um wettbewerbsfähig zu bleiben, muss Deutschland außerdem massiv in seine Infrastruktur investieren. Die Nutzung der Erneuerbaren Energien kommt kaum voran. Obwohl man weiß, dass der Energiebedarf rasant steigen wird, nicht zuletzt auch wegen der Elektromobilität. Man hält jedoch krampfhaft an der Kohle fest, anstatt den Umbau der Energiesysteme couragiert anzugehen. So macht man Deutschland nicht fit für die Zukunft. Auch nicht ohne ein flächendeckendes schnelles Internet. Dies ist in vielen Gegenden Deutschlands immer noch nicht verfügbar und auch nicht in Sicht, in Zeiten der Digitalisierung ein enormer Wettbewerbsnachteil für viele Firmen. Und was macht die Politik? Schon vor Jahren wollte man Internet-Weltmeister werden, passiert ist seither wenig. Die Menschen haben ein feines Gespür dafür, ob wirklich gehandelt wird oder es nur bei Ankündigungen bleibt.
So verwundert es nicht, dass sich viele Menschen vom Staat abwenden und sich den Populisten zuwenden, die versprechen, im Handumdrehen eine bessere Welt erschaffen zu können. Wenn wir uns fragen, wie es in den USA dazu kommen konnte, dass Donald Trump Präsident wird, dann sollten wir uns die Frage stellen, wie verzweifelt die Menschen sein müssen, wenn sie ihm seine Stimme geben. Wenn wir in andere Länder blicken, begreifen wir, was die Populisten wirklich im Schilde führen. Sobald sie die Macht ergreifen, versuchen sie die Freiheit einzuschränken und die Demokratie abzuschaffen. Noch bilden die Populisten eine Minderheit im deutschen Parteienspektrum. Klein ist diese Gruppe aber wahrlich nicht mehr, und sie wächst. Und sie ist lautstark. Die Populisten setzen inzwischen die Themen auf der politischen Agenda. Die anderen Parteien stehen dem hilflos gegenüber und blicken wie das Kaninchen auf die Schlange. Jetzt ist die Zeit gekommen, dass die schweigende Mehrheit aufhört, zu schweigen und ihre Stimme erhebt. Der amerikanische Bürgerrechtler Martin Luther King Jr. hat einmal gesagt: „Es gibt so etwas, wie zu spät zu kommen“. Worauf warten wir also noch?