Aufstehen für Verständigung und Solidaritätbesonders im Blick auf Kiels Partnerstadt Hatay/Antakya. „Sind Sie denn ein Kieler?“ wurde ich gefragt. Als zehnjähriger Junge kam ich im Sommer 1948 nach Kiel. Viele Erfahrungen hatte ich da schon hinter mir: Flucht im Güterwagen über Tage und Nächte, Sitzen im Luftschutzkeller bei Bombardierungen, und dann dieser Pfingstgottesdienst 1945 in Jonsdorf an der Grenze zu Tschechien: Eine mit Birkenzweigen geschmückte Dorfkirche, endlich Frieden nach so viel Gewalt und Zerstörung. Ich war begeistert. Keine Angst mehr, kein Krieg mehr, jetzt ist Frieden.
Nachher spielten wir Flüchtlingskinder Gottesdienst, und natürlich stand ich auf und hielt die Friedenspredigt. Mit solchen Erlebnissen kam ich nach Kiel. Ich sah die Schiffwracks im Hafen, die Trümmer der Häuser und Kirchen. Und doch wurden auf zerbombten Flächen Bäume gepflanzt, und ich konnte dabei mitwirken. Es entstanden mitten in der Stadt die Gayk-Wäldchen, benannt nach dem damaligen Oberbürgermeister Andreas Gayk. In Kiel hatte ich anfangs noch kein Zuhause. Vorübergehend musste ich mit meinem Bruder in das Christliche Hospiz in der Ringstraße – bis dann meine Eltern endlich eine geeignete Wohnung fanden. Langsam konnte ich Kontakte knüpfen – im Turnverein (KMTV) und in der Kirchengemeinde St. Nikolai; erst allmählich wurde ich heimisch in Kiel. Einen Matrosenanzug wie andere Jungen hatte ich allerdings nie getragen. Mit Bestürzung nahm ich mit der Zeit wahr, dass auf den Werften Kiels wieder Kriegsschiffe gebaut wurden. Mit Bewunderung hörte ich von dem Aufstand der Matrosen 1918 gegen den wahnsinnigen Kriegseinsatz damals. Beeindruckt war ich auch davon, dass in diesem Jahr in Kiel durch Prozesse der Verständigung es zu keiner Eskalation zerstörerischer Gewalt kam.
Aufgrund der eigenen Fluchterfahrungen setzte ich mich später für Flüchtlinge ein, die nach Kiel kamen. Als Studentenpastor war ich beteiligt an der Gründung des Vereins zur Wohnraumbeschaffung. In Wohnungen, die demnächst abgerissen werden sollten, brachten wir damals auch diejenigen unter, die von Geheimdiensten ihrer Heimatländer verfolgt wurden. Nachher wirkte ich daran mit, dass ein Rechtshilfefonds entstand, der Flüchtlingen ermöglichte, sich Unterstützung bei Anwälten zu holen. Weiterhin gründete ich mit anderen zusammen den Kieler Arbeitskreis Flucht und Asyl, um Solidarität den Menschen anzubieten, die in ihrer Not nach Kiel kamen. Im Jahre 1993 wurde ich von der Stadt Kiel gefragt, ob ich daran mitwirken wolle, einen Friedensgottesdienst in der Kieler Nikolaikirche durchzuführen; zu diesem Gottesdienst sollten auch Muslime eingeladen werden. Das sollte angesichts wachsender Gewalt geschehen, wie sie sich damals vor allem im Gebiet des ehemaligen Jugoslawien zeigte. Natürlich war ich sofort bereit, mich an einer Veranstaltung für den Frieden zu beteiligen; nur fragte ich mich, ob die Einladung von Muslimen zum christlichen Gottesdienst dafür der geeignete Weg war. Fühlte sich die Mehrzahl der Muslime, die meist aus anderen Ländern nach Kiel gekommen waren, in Kiel schon zuhause? War es in Kiel überhaupt schon zu einer Verständigung zwischen Muslimen und Nichtmuslimen gekommen? Es zeigte sich, dass die meisten Kieler nicht eine der zahlreichen Moscheen, die in den letzten Jahren in Kiel entstanden waren, jemals von innen gesehen hatten. Um aufzustehen für mehr Verständigung, entstand so zusammen mit Vertretern von Muslimen die Idee eines gemeinsamen Friedensweges. Auf diesem Weg sollten in Kiel Kirchen und Moscheen besucht und ein wechselseitiges Kennenlernen ermöglicht werden. In den Moscheen wurden jeweils Forderungen gestellt, die ein besseres Zusammenleben ermöglichen sollten. Dazu gehörte ein Islamischer Religionsunterricht mit gemeinsamen Projekten sowie eine bessere Vertretung der Migranten, wie sie jetzt im Forum verwirklicht ist. Besonders wichtig war es auch den Muslimen, dass Kiel eine Partnerstadt in der Türkei findet, denn aus der Türkei sind viele von ihnen nach Kiel gezogen.
Der Friedensweg 1993 mit großer Beteiligung hatte viele Folgen; er fand so seine Fortsetzung in zahlreichen Besuchen, Begegnungen und Bewegungen. Zwei Beispiele möchte ich nennen. Das ist einmal die Gründung des Interreligiösen Arbeitskreises Kiel im Jahre 1996: Seit dieser Zeit finden jedes Jahr drei Interreligiöse Gebete in der Kieler Pumpe statt, an der alle Weltreligionen beteiligt sind. So entstand ein Raum kontinuierlicher Begegnung und Verständigung. Zum anderen ist es die Gründung des Kieler Arbeitskreises Brückenbauen im Jahre 2000. In diesem Arbeitskreis ging es darum, eine Partnerstadt in der Türkei für Kiel zu finden. Solche Stadt sollte für Verständigung sowie für interkulturelle und interreligiöse Begegnung besonders geeignet sein. Nach einem längeren Suchprozess wurde von uns im Brückenbauen klar und deutlich die Stadt Antakya in der Südtürkei vorgeschlagen.
Die Stadt Antakya und die gesamte Provinz Hatay gelten in der Türkei und weit darüber hinaus als das Gebiet, in dem Muslime, Christen und Juden in vorbildlicher Verständigung miteinander leben. Die Stadt zählte zu den größten Städten des damaligen römischen Reiches. Die erste christliche Gemeinde außerhalb Jerusalems ist dort entstanden, dort wirkten auch Paulus, Petrus und Lukas. Im Koran spielt Antakya ebenfalls eine wichtige Rolle (Sure 36). Es wird berichtet, dass in der Zeit Jesu Habib Neccar die Menschen dort aufforderte, auf die Botschaft der Jünger zu hören. Die Habib-Neccar-Moschee gilt als die älteste Moschee im osmanischen Reich. Noch heute liegen vier christliche Kirchen, zahlreiche Moscheen und eine Synagoge nebeneinander inmitten der Stadt, der Bürgermeister gratuliert öffentlich den Muslimen zu Ramadan, den Christen zu Ostern und den Juden zu Passah. Zentrale Werte, die das Leben in der Stadt bestimmen, sind Frieden, Geschwisterlichkeit und „wohlgesonnene Sicht“ (hoshgörü).
Zwischen Menschen in Antakya und Kiel bildeten sich Freundschaften; auch Beziehungen zwischen Schulen und Gemeinden entstanden. Die offizielle Partnerschaft zwischen Kiel und Antakya besteht seit 2012, auch bildete sich in diesem Jahr eine Partnerschaft mit Kiel und Samsun am Schwarzen Meer. Der Kieler Stadtpräsident Hans-Werner Tovar startete 2014 eine Unterstützungsaktion von Kielern für die Flüchtlinge in Hatay, diese Aktion wurde von den Kieler Nachrichten wirksam unterstützt und erbrachte 126.000 €. Mit diesen Geldern wurde direkt an der syrischen Grenze eine Schule mit großem Spielplatz für über 120 Flüchtlingskinder aus Syrien gebaut. Das wurde in Hatay als praktizierte Solidarität der Kieler angesehen und sehr begrüßt.
In der Gegenwart wirft die schwierige Situation in der Türkei Fragen auf. Von Reisen dorthin wurde abgeraten. Trotzdem fuhr der Kieler Stadtpräsident 2016 wieder dorthin und im Mai 2018 starteten wir vom Brückenbauen trotz Warnungen eine weitere Reise. Ein ausführlicher Brief des Stadtpräsidenten gab uns einen gewissen Schutz. Überall in Antakya wurden wir voller Freude aufgenommen. „Wahre Freunde erkennt man in schweren Situationen.“ Das sagten viele zu uns. Solidarität, das ist der Zusammenhalt über alle Grenzen weg. Es lohnt sich, dafür aufzustehen. Die Werte in Hatay werden weiter verwirklicht; wir wollen sie auch in Kiel verstärkt praktizieren. Besonders berührt hat uns der Besuch in der Flüchtlingsschule. Beim Tanz auf dem Spielplatz zeigte es sich, wie Kinder verletzende Erfahrungen abschütteln konnten. Ärzte und Lehrerinnen wollten viele von ihnen werden. „Wir laden Euch ein, zu uns nach Hause zu kommen, wenn wir wieder zurück nach Syrien können“, sagten viele. Einige fügten hinzu: „Jetzt fühlen wir uns nicht mehr allein.“ Natürlich dachte ich zurück an die Zeit, als ich als Flüchtling in Kiel ankam. Ohne Verständigung und Solidarität hätte ich in Kiel auch kein Zuhause finden können.
Antakya/Hatay hat eine ehrwürdige, wunderbare Geschichte. Kiel kann von seiner Geschichte her den Aufstand der Matrosen einbringen. Die Werte beider Städte zeigen gemeinsam: Es lohnt sich, aufzustehen für Verständigung und Solidarität.

Über den Autor: Klaus Onnasch, geboren 1937 in Görlitz, Abitur an der Kieler Humboldtschule im Jahre 1957, Theologiestudium in Kiel, Heidelberg und Göttingen, Studien in der Psychologie und Literaturwissenschaft, nach den Examen Assistententätigkeit an der Universität Kiel,1967 Promotion zum Thema „Angst“, von 1967 bis 1973 Jugendpastor (Schülerpastor) im Landesjugendpfarramt auf dem Koppelsberg/ Plön, von 1977 bis 1999 Pastor in der Christusgemeinde Kronshagen bei Kiel, 18 Jahre lang Mitglied der Nordelbischen Synode, viele Jahre Sprecher des Initiativkreises Nordelbische Synode, im Kirchenkreis Kiel mehrere Jahre Beauftragter für Interkulturelle Arbeit, Flüchtlingsarbeit, Entwicklungsarbeit und für „Kirche in der Stadt“, seit 1999 als Pastor im „Ruhegang“, tätig in der Begleitung von Trauergruppen. Verwitwet seit 2006, seit 2008 gemeinsam mit Ev Pagel wieder wohnhaft in Kronshagen, Veröffentlichungen zum Verständnis von Trauer, zahlreiche Vorträge zu diesem Thema, Weiterführung der Partnerschaftsarbeit nach Uganda und Antakya / Hatay in der Türkei.
Aufstehen für Verständigung und Solidaritätbesonders im Blick auf Kiels Partnerstadt Hatay/Antakya. „Sind Sie denn ein Kieler?“ wurde ich gefragt. Als zehnjähriger Junge kam ich im Sommer 1948 nach Kiel. Viele Erfahrungen hatte ich da schon hinter mir: Flucht im Güterwagen über Tage und Nächte, Sitzen im Luftschutzkeller bei Bombardierungen, und dann dieser Pfingstgottesdienst 1945 in Jonsdorf an der Grenze zu Tschechien: Eine mit Birkenzweigen geschmückte Dorfkirche, endlich Frieden nach so viel Gewalt und Zerstörung. Ich war begeistert. Keine Angst mehr, kein Krieg mehr, jetzt ist Frieden.
Nachher spielten wir Flüchtlingskinder Gottesdienst, und natürlich stand ich auf und hielt die Friedenspredigt. Mit solchen Erlebnissen kam ich nach Kiel. Ich sah die Schiffwracks im Hafen, die Trümmer der Häuser und Kirchen. Und doch wurden auf zerbombten Flächen Bäume gepflanzt, und ich konnte dabei mitwirken. Es entstanden mitten in der Stadt die Gayk-Wäldchen, benannt nach dem damaligen Oberbürgermeister Andreas Gayk. In Kiel hatte ich anfangs noch kein Zuhause. Vorübergehend musste ich mit meinem Bruder in das Christliche Hospiz in der Ringstraße – bis dann meine Eltern endlich eine geeignete Wohnung fanden. Langsam konnte ich Kontakte knüpfen – im Turnverein (KMTV) und in der Kirchengemeinde St. Nikolai; erst allmählich wurde ich heimisch in Kiel. Einen Matrosenanzug wie andere Jungen hatte ich allerdings nie getragen. Mit Bestürzung nahm ich mit der Zeit wahr, dass auf den Werften Kiels wieder Kriegsschiffe gebaut wurden. Mit Bewunderung hörte ich von dem Aufstand der Matrosen 1918 gegen den wahnsinnigen Kriegseinsatz damals. Beeindruckt war ich auch davon, dass in diesem Jahr in Kiel durch Prozesse der Verständigung es zu keiner Eskalation zerstörerischer Gewalt kam.
Aufgrund der eigenen Fluchterfahrungen setzte ich mich später für Flüchtlinge ein, die nach Kiel kamen. Als Studentenpastor war ich beteiligt an der Gründung des Vereins zur Wohnraumbeschaffung. In Wohnungen, die demnächst abgerissen werden sollten, brachten wir damals auch diejenigen unter, die von Geheimdiensten ihrer Heimatländer verfolgt wurden. Nachher wirkte ich daran mit, dass ein Rechtshilfefonds entstand, der Flüchtlingen ermöglichte, sich Unterstützung bei Anwälten zu holen. Weiterhin gründete ich mit anderen zusammen den Kieler Arbeitskreis Flucht und Asyl, um Solidarität den Menschen anzubieten, die in ihrer Not nach Kiel kamen. Im Jahre 1993 wurde ich von der Stadt Kiel gefragt, ob ich daran mitwirken wolle, einen Friedensgottesdienst in der Kieler Nikolaikirche durchzuführen; zu diesem Gottesdienst sollten auch Muslime eingeladen werden. Das sollte angesichts wachsender Gewalt geschehen, wie sie sich damals vor allem im Gebiet des ehemaligen Jugoslawien zeigte. Natürlich war ich sofort bereit, mich an einer Veranstaltung für den Frieden zu beteiligen; nur fragte ich mich, ob die Einladung von Muslimen zum christlichen Gottesdienst dafür der geeignete Weg war. Fühlte sich die Mehrzahl der Muslime, die meist aus anderen Ländern nach Kiel gekommen waren, in Kiel schon zuhause? War es in Kiel überhaupt schon zu einer Verständigung zwischen Muslimen und Nichtmuslimen gekommen? Es zeigte sich, dass die meisten Kieler nicht eine der zahlreichen Moscheen, die in den letzten Jahren in Kiel entstanden waren, jemals von innen gesehen hatten. Um aufzustehen für mehr Verständigung, entstand so zusammen mit Vertretern von Muslimen die Idee eines gemeinsamen Friedensweges. Auf diesem Weg sollten in Kiel Kirchen und Moscheen besucht und ein wechselseitiges Kennenlernen ermöglicht werden. In den Moscheen wurden jeweils Forderungen gestellt, die ein besseres Zusammenleben ermöglichen sollten. Dazu gehörte ein Islamischer Religionsunterricht mit gemeinsamen Projekten sowie eine bessere Vertretung der Migranten, wie sie jetzt im Forum verwirklicht ist. Besonders wichtig war es auch den Muslimen, dass Kiel eine Partnerstadt in der Türkei findet, denn aus der Türkei sind viele von ihnen nach Kiel gezogen.
Der Friedensweg 1993 mit großer Beteiligung hatte viele Folgen; er fand so seine Fortsetzung in zahlreichen Besuchen, Begegnungen und Bewegungen. Zwei Beispiele möchte ich nennen. Das ist einmal die Gründung des Interreligiösen Arbeitskreises Kiel im Jahre 1996: Seit dieser Zeit finden jedes Jahr drei Interreligiöse Gebete in der Kieler Pumpe statt, an der alle Weltreligionen beteiligt sind. So entstand ein Raum kontinuierlicher Begegnung und Verständigung. Zum anderen ist es die Gründung des Kieler Arbeitskreises Brückenbauen im Jahre 2000. In diesem Arbeitskreis ging es darum, eine Partnerstadt in der Türkei für Kiel zu finden. Solche Stadt sollte für Verständigung sowie für interkulturelle und interreligiöse Begegnung besonders geeignet sein. Nach einem längeren Suchprozess wurde von uns im Brückenbauen klar und deutlich die Stadt Antakya in der Südtürkei vorgeschlagen.
Die Stadt Antakya und die gesamte Provinz Hatay gelten in der Türkei und weit darüber hinaus als das Gebiet, in dem Muslime, Christen und Juden in vorbildlicher Verständigung miteinander leben. Die Stadt zählte zu den größten Städten des damaligen römischen Reiches. Die erste christliche Gemeinde außerhalb Jerusalems ist dort entstanden, dort wirkten auch Paulus, Petrus und Lukas. Im Koran spielt Antakya ebenfalls eine wichtige Rolle (Sure 36). Es wird berichtet, dass in der Zeit Jesu Habib Neccar die Menschen dort aufforderte, auf die Botschaft der Jünger zu hören. Die Habib-Neccar-Moschee gilt als die älteste Moschee im osmanischen Reich. Noch heute liegen vier christliche Kirchen, zahlreiche Moscheen und eine Synagoge nebeneinander inmitten der Stadt, der Bürgermeister gratuliert öffentlich den Muslimen zu Ramadan, den Christen zu Ostern und den Juden zu Passah. Zentrale Werte, die das Leben in der Stadt bestimmen, sind Frieden, Geschwisterlichkeit und „wohlgesonnene Sicht“ (hoshgörü).
Zwischen Menschen in Antakya und Kiel bildeten sich Freundschaften; auch Beziehungen zwischen Schulen und Gemeinden entstanden. Die offizielle Partnerschaft zwischen Kiel und Antakya besteht seit 2012, auch bildete sich in diesem Jahr eine Partnerschaft mit Kiel und Samsun am Schwarzen Meer. Der Kieler Stadtpräsident Hans-Werner Tovar startete 2014 eine Unterstützungsaktion von Kielern für die Flüchtlinge in Hatay, diese Aktion wurde von den Kieler Nachrichten wirksam unterstützt und erbrachte 126.000 €. Mit diesen Geldern wurde direkt an der syrischen Grenze eine Schule mit großem Spielplatz für über 120 Flüchtlingskinder aus Syrien gebaut. Das wurde in Hatay als praktizierte Solidarität der Kieler angesehen und sehr begrüßt.
In der Gegenwart wirft die schwierige Situation in der Türkei Fragen auf. Von Reisen dorthin wurde abgeraten. Trotzdem fuhr der Kieler Stadtpräsident 2016 wieder dorthin und im Mai 2018 starteten wir vom Brückenbauen trotz Warnungen eine weitere Reise. Ein ausführlicher Brief des Stadtpräsidenten gab uns einen gewissen Schutz. Überall in Antakya wurden wir voller Freude aufgenommen. „Wahre Freunde erkennt man in schweren Situationen.“ Das sagten viele zu uns. Solidarität, das ist der Zusammenhalt über alle Grenzen weg. Es lohnt sich, dafür aufzustehen. Die Werte in Hatay werden weiter verwirklicht; wir wollen sie auch in Kiel verstärkt praktizieren. Besonders berührt hat uns der Besuch in der Flüchtlingsschule. Beim Tanz auf dem Spielplatz zeigte es sich, wie Kinder verletzende Erfahrungen abschütteln konnten. Ärzte und Lehrerinnen wollten viele von ihnen werden. „Wir laden Euch ein, zu uns nach Hause zu kommen, wenn wir wieder zurück nach Syrien können“, sagten viele. Einige fügten hinzu: „Jetzt fühlen wir uns nicht mehr allein.“ Natürlich dachte ich zurück an die Zeit, als ich als Flüchtling in Kiel ankam. Ohne Verständigung und Solidarität hätte ich in Kiel auch kein Zuhause finden können.
Antakya/Hatay hat eine ehrwürdige, wunderbare Geschichte. Kiel kann von seiner Geschichte her den Aufstand der Matrosen einbringen. Die Werte beider Städte zeigen gemeinsam: Es lohnt sich, aufzustehen für Verständigung und Solidarität.
Über den Autor: Klaus Onnasch, geboren 1937 in Görlitz, Abitur an der Kieler Humboldtschule im Jahre 1957, Theologiestudium in Kiel, Heidelberg und Göttingen, Studien in der Psychologie und Literaturwissenschaft, nach den Examen Assistententätigkeit an der Universität Kiel,1967 Promotion zum Thema „Angst“, von 1967 bis 1973 Jugendpastor (Schülerpastor) im Landesjugendpfarramt auf dem Koppelsberg/ Plön, von 1977 bis 1999 Pastor in der Christusgemeinde Kronshagen bei Kiel, 18 Jahre lang Mitglied der Nordelbischen Synode, viele Jahre Sprecher des Initiativkreises Nordelbische Synode, im Kirchenkreis Kiel mehrere Jahre Beauftragter für Interkulturelle Arbeit, Flüchtlingsarbeit, Entwicklungsarbeit und für „Kirche in der Stadt“, seit 1999 als Pastor im „Ruhegang“, tätig in der Begleitung von Trauergruppen. Verwitwet seit 2006, seit 2008 gemeinsam mit Ev Pagel wieder wohnhaft in Kronshagen, Veröffentlichungen zum Verständnis von Trauer, zahlreiche Vorträge zu diesem Thema, Weiterführung der Partnerschaftsarbeit nach Uganda und Antakya / Hatay in der Türkei.