Aufstehen

Özgürcan Baş: Aufstehen für Demokratie

Immer weniger junge Menschen engagieren sich und setzen sich für demokratische Werte ein.

Der entscheidende Grund ist, dass soziales Engagement kaum geschätzt und sogar teilweise geächtet wird – so meine Erfahrungen. Man muss, auch oder gerade wenn es freiwillige Arbeit ist, mehr wertschätzen und auf irgendeiner Ebene belohnen. Leider wissen viele Menschen heute kaum noch, wie ein Leben ohne die Demokratie im Lande wäre. Man beruft sich auf die Kompetenzen seiner Repräsentanten und kritisiert sie im gleichen Atemzug. Vor 100 Jahren musste man für das Mitreden noch sein Leben aufopfern – heute kann, aber will sich kaum jemand engagieren.

2011 war für mich ein Neustart im Leben: Schulwechsel zur 7. Klasse und ein absolut fremdes Umfeld, ohne auch nur eine Person zu kennen.

Angekommen im Jahr 2012, stelle ich im Nachhinein fest, dass es das richtungsentscheidende Jahr in meinem bisherigen Leben ist. Ich hatte Lust mich zu engagieren und fing mit jungen 12 Jahren als Fußballschiedsrichter an. Ein prägender Schritt, wie ich finde, da ich bis dahin ein sehr schüchterner und zurückhaltender Mensch war. Kein halbes Jahr später wiederholte ich dann die 7. Klasse, was für mich wie ein halber Weltuntergang war, da neben mir auch meine Eltern enttäuscht waren. Diese Erfahrung führte dazu, dass ich in den nächsten Jahren noch weiter in mich kehrte und Angst hatte, Fehler zu machen. Aber so sollte und konnte es nicht weitergehen.

2015 wollte ich etwas Neues ausprobieren und startete den Versuch, mich für das Amt des Klassensprechers zu bewerben, begleitete fortan 5. Klässler beim Ankommen an der Schule und gründete mit zwei weiteren Klassenfreunden eine Schülerzeitung an unserer Schule. Dieses Jahr war für mich wie eine Neuorientierung, da ich Spaß darin sah, mich demokratisch auf der Klassensprecherkonferenz zu beteiligen, anderen Mitmenschen zu helfen und gleichzeitig Texte für die neue Schülerzeitung zu schreiben. Gerade die Kombination dieser Aktivitäten war vermutlich der Grund, warum mein damaliger WiPo-Lehrer auf mich zukam und mir von der Kandidatensuche des neugegründeten Kinder- und Jugendbeirates berichtete. Lange habe ich mich mit diesem beschäftigt und mich schlussendlich entschieden, dafür zu kandidieren.

Am Ende des Jahres, kurz nach der Wahl, konstituierte sich dann der sogenannte Junge Rat. Auch ich war Teil dieses Gremiums und wurde unter 16 Mitgliedern erfreulicherweise zum Vorsitzenden gewählt. Meinen Eltern und mir war bis dahin aber nicht klar, was für eine Verantwortung da auf mich zukam. 2016 lernte ich nach und nach die Kieler Kommunalpolitik kennen, engagierte mich weiterhin in der Schule, inzwischen auch als Teil der Schülervertretung, hatte jedoch immer noch Lust auf mehr!

Im selben Jahr entschloss ich mich, das Landesschülerparlament zu besuchen und somit auch auf Landesebene aktiv zu werden. Während ich mir zunächst nur den Jungen Rat vorgestellt hatte, wurde ich noch am selben Tag in den Landesvorstand gewählt und versuche seither auch den Schüler*innen in Schleswig-Holstein eine Stimme zu verleihen. 2017 stellte ich mich dann als Schülersprecher an meiner Schule auf und wurde erfreulicherweise mit einem Team von 50(!) Personen gewählt. Meine freie Zeit verbringe ich als Fußballtrainer oder als Wahlhelfer bei jeglichen Wahlen.

Ehrenamt ist für mich ein Bestandteil im Leben, welches nicht mehr wegzudenken ist. Ich engagiere mich gerne: für mich und meine Mitmenschen!

Nach dem Motto des freien Lebens bastele ich mir mein Leben zusammen. Engagement heißt für mich hierbei Veränderung! Ich finde es sehr bedauernswert, dass meine Generation teilweise die vielen Möglichkeiten, aktiv zu werden, nicht nutzt, obwohl wir mehr Chancen und Entfaltungsmöglichkeiten haben – die vorangegangenen Generationen können sich solch eine demokratische Einbindung nur erträumen. All diese Aktivitäten verfolge ich noch immer und kann keine von ihnen loslassen, da mir Beteiligung einfach ans Herz gewachsen ist und jede Art des Engagements für mich eine auf ihre Art besondere Rolle einnimmt. Somit ist es schwierig für mich, auch nur eine dieser Tätigkeiten aufzugeben. Mein Ziel, schon seit der Grundschule, ist das Schaffen des Abiturs, ohne jedoch neben dem Lernen damit aufzuhören, was mir Spaß macht. Seit Jahren ist es für mich eine Herausforderung, meinen außerschulischen Tätigkeiten nachzukommen, ohne meine schulischen Leistungen abstürzen zu lassen.

Statt zu kritisieren, sollte man sich aktiv einbringen, konstruktive Kritik beisteuern und mitgestalten. Dies macht mir Spaß!


Über den Autor: Ich heiße Özgürcan Baş, werde jedoch meist nur Ötzi genannt. Ich bin 18 Jahre alt, wohne auf dem schönen Ostufer, im Stadtteil Ellerbek, und besuche die 12. Klasse (G8) an der Kieler Gelehrtenschule. In Kiel geboren und aufgewachsen, werde ich auch in näherer Zukunft dieser wunderschönen Stadt am Meer treu bleiben.

Mein Name stammt aus dem Türkischen und heißt wörtlich freies Leben. Dies spiegelt auch meine Persönlichkeit wieder: Als zweisprachig aufgewachsene Kieler Sprotte wurde ich 2005 eingeschult und schließe in diesem Jahr mein Abitur ab.

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